Opferrolle und Helfersyndrom brauchen sich

Der „Zirkus des Lebens“ begrüßt seine zwei Darsteller:

Opferrolle“ und „Helfersyndrom“!


Die Zuschauertribüne ist inzwischen wie leer gefegt und niemand schaut mehr zu. „Opferrolle“ hockt nach einer ausbeuterischen Vorführung völlig ausgebrannt und antriebslos auf dem staubigen Manegenboden. Lediglich ein flackerndes Licht signalisiert ihr, dass sie noch am Leben ist.

Lange Minuten später verlässt sie das Zirkuszelt und trifft auf „Helfersyndrom“, um ihre Akkus wieder aufzuladen – was genauso gut gelingt wie misslingt. „Helfersyndrom“ opfert in dieser Konstellation vieles und unterstützt „Opferrolle“ unentwegt dabei, jeden Tag aufs Neue an die persönlichen Grenzen zu gehen. Doch sehr bald stößt „Helfersyndrom“ bei diesem Spiel selbst an sein Limit und es beschließt, etwas zu ändern.

An jenem Tag nimmt es seinen ganzen Mut zusammen und geht entschlossen auf „Opferrolle“ zu: „Wenn du weiter zulässt, dich auf deiner eigenen Bühne des Lebens nicht zu Hause zu fühlen, und du dein Glück ausschließlich im Außen suchst, dann wirst du den Tanz der Unzufriedenheit nur schwer beenden können. Das Hamsterrad wird sich immer schneller und schneller drehen, während du emotional stehen bleibst. Dabei werde ich nicht mehr tatenlos zuschauen.“

„Das kannst du nicht ernst meinen, du brauchst mich doch“, sagt „Opferrolle“ daraufhin vorwurfsvoll.

„Ja, ich brauche dich und dein Leid, damit ich dir helfen kann, doch so ist niemandem geholfen. Fortan möchte ich mich weiterentwickeln, nicht mehr Teil des Problems sein, und mich verstärkt um mich selbst kümmern. Daher werde ich ab heute unseren Kreislauf der Co-Abhängigkeit durchbrechen und Teil der Lösung sein, bevor wir noch den Überblick verlieren, wer hier eigentlich wer von uns beiden ist.“

© 2022 Marcel Schönefeld

Auszug aus dem Buch: „Geschichten aus dem Zirkus des Lebens?“

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