Gut und Böse

Der „Zirkus des Lebens“ begrüßt seine zwei heutigen Darsteller:

Gut“ und „Böse“!


Die Programmvorschau verkündet, dass demnächst die Darsteller „Gut“ UND „Böse“ auf der Bühne des Lebens stehen werden, um den zahlreichen Zuschauern eine Welt zu präsentieren, in der es weder Grautöne noch bunte Zwischentöne gibt.

Die Kinder sind davon wenig angetan, denn ihnen erscheint es absurd, alles in ausschließlich zwei Kategorien einzuteilen. Im Gegensatz dazu können sich die Erwachsenen kaum halten vor Aufregung, denn schon vor langer Zeit haben sie gelernt, was „Gut“ und was „Böse“ ist an ihrem Verhalten und in der Welt. Unmittelbar nach Showbeginn bleiben die Kinder skeptisch, denn die gesamte Szenerie wirkt befremdlich auf sie und ihrem wertungsfreien Wesen zuwider.

Doch je länger die Vorführung andauert und je mehr sich die Erwachsenen von ihrer prägenden Vergangenheit einholen lassen, desto mehr schauen sich die Kleinen das Verhalten bei ihren großen Vorbildern ab und beginnen wie sie, immer stärker an das Gute und das Böse zu glauben.

Im Schlussakt dieser Vorführung gibt es selbstverständlich nur Gewinner und Verlierer. Die einen dürfen im Rampenlicht stehen, die anderen müssen in der Dunkelheit verharren. Glücklicherweise tauchen aber auch einige Erwachsene auf, die das Übel hinter dieser farblosen Darstellung erkennen und deren Botschaft ernsthaft infrage stellen.

Folglich bringen sie ein vielfältigeres Programm auf die Bühne, um zu verhindern, dass die Herzen der vielen kunterbunten Kinderseelen zusehends schwarzweißer werden und sie sich am Ende auch nur noch in „Gut“ ODER „Böse“ einteilen können.

© 2022 Marcel Schönefeld

Auszug aus dem Buch: „Geschichten aus dem Zirkus des Lebens.“

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